ALOR DIVE
Gipfelstürmen hegt Gefahren

"Je höher, desto besser", diesem Motto verschreiben sich alljährlich zur Bergsaison zahlreiche Gipfelstürmer und Trekkingfans. Doch wer hoch hinaus will, begibt sich auch in Gefahr: Bereits ab einer Höhe von etwa 2.500 Metern kann es zu Symptomen der Höhenkrankheit kommen - einer Krankheit, die jedes Jahr einigen Bergsteigern das Leben kostet. Dabei sind es vor allem Ungeduld und Leichtsinn, die den Gipfelstürmern zum Verhängnis werden.

Was ist Höhenkrankheit eigentlich?

Die Höhenkrankheit entsteht, wenn der Sauerstoffpartialdruck der Luft rapide abnimmt, und der Körper nicht genug Zeit hat, sich auf die neuen Verhältnisse einzustellen. In einer Höhe von 3.000 Metern enthält die Atmosphäre nur noch die Hälfte der Sauerstoffmenge wie auf Meeresniveau, in 5.000 Metern ist es gar nur noch ein Drittel. Die geringe Sauerstoffversorgung und der verminderte Druck in den Lungenbläschen haben zur Folge, dass sich vermehrt Wasser aus den Blutgefäßen in das umgebende Gewebe einlagert. Dies kann besonders Lunge und Gehirn schwerwiegende Probleme bereiten - es entwickelt sich ein Hirnödem (High Altitude Cerebral Edema, HACE) bzw. ein Lungenödem (High Altitude Pulmonary Edema).

Neben diesen beiden lebensbedrohlichen Erkrankungen kann es auch zu einer Reihe unspezifischer Beschwerden kommen, die als Höhenkrankheit bezeichnet werden (Acute Mountain Sickness, AMS). Die akute, milde Höhenkrankheit ist sehr häufig. Sie tritt immerhin bei rund 30 Prozent der Bergwanderer auf, die sich auf über 3.000 m befinden. Auch schwerere - mitunter sogar lebensbedrohliche - Erkrankungsformen sind nicht selten: Experten gehen davon aus, dass so gut wie jedes Scheitern einer Expedition und nahezu jeder Todesfall im Hochgebirge ihre Ursache in der Höhenkrankheit haben. Laut Statistik kehren drei Prozent der Expeditionsteilnehmer nicht zurück.

Wer ist in Gefahr?

Die Höhenkrankheit kann jeden treffen. Vorhersagen hinsichtlich einer besonderen Gefährdung bestimmter Personen gibt es nicht. Alte Menschen sind ebenso häufig betroffen wie jüngere, Männer ebenso oft wie Frauen, Sportler nicht seltener als Untrainierte. Nicht einmal das Rauchen spielt bei der Entwicklung der Höhenkrankheit eine Rolle. Lediglich bei Kindern scheint eine größere Anfälligkeit zu bestehen. Unfallstatistiken zeigen, dass "the fit and the young" am häufigsten betroffen sind, ohne das es dafür medizinische Gründe gibt. Die ungestümen jungen Sportler überwinden täglich die meisten Höhenmeter und bringen sich dadurch in Gefahr.

Wie kann die Höhenkrankheit vermieden werden?

Der einzig effektive Schutz vor der Höhenkrankheit ist die richtige "Taktik beim Aufstieg“ : Beim Erklimmen schwindelnder Höhen sollte nicht zu schnell vorgegangen werden, um dem Körper die nötige Zeit zur Anpassung an die veränderten Bedingungen zu geben. Pro Tag sollten dabei nicht mehr als 300 bis 500 Höhenmeter überwunden werden. Hat man nun vor, einen Vier- bis Fünftausender zu bezwingen, dann wird empfohlen, zur Eingewöhnung zunächst eine Woche auf etwa 3.000 m zu verbringen. Erst nach Ende dieser Akklimatisierungs-Phase sollte man langsam weiter steigen.

Wie passt sich der Körper an die Höhe an?

Der Organismus besitzt eine erstaunliche Anpassungsfähigkeit an Änderungen des Umgebungsdruckes. 25 Millionen Menschen leben in Höhen über 3.500 Metern und haben keinerlei Probleme damit. Wenn unser Urlaubsflieger dagegen im bolivianischen La Paz (3.650m ü.M.) landet, ist der Körper noch nicht auf die dortigen Verhältnisse vorbereitet. Zunächst steigt vor allem der Gehalt an roten Blutkörperchen (Erythrozyten). Normalerweise liegt der Anteil dieser Sauerstofftransporter (Hämatokrit) im Blut bei Männern zwischen 42-52 Prozent, bei Frauen etwas darunter. Nach Ablauf von zwei Wochen ist dieser Anteil um 10 Prozent gestiegen. Leistungssportler machen sich diesen Effekt beim Höhentraining zunutze, um die Sauerstoff-Transportkapazität ihres Blutes zu steigern. Bei längeren Aufenthalten in extremer Höhe kann der Hämatokrit sogar auf 70 Prozent ansteigen.

Diese Anpassung birgt aber auch Nachteile: Der erhöhte Anteil fester Blutkörperchen behindert die Fließeigenschaften des Blutes, wodurch die Gefahr von Thrombosen (Verstopfen von Gefäßen durch verklumpte Blutkörperchen) steigt.

Neben der Transportkapazität des Blutes verbessert sich auch die Sauerstoffnutzung: In der Muskulatur sprießen neue Kapillaren, die Endversorgungsleitungen des Gefäßsystems. Auch auf molekularer Ebene wird versucht, das geringe Sauerstoffangebot der Umgebung bestmöglich zu nutzen: Enzymsysteme in den Mitochondrien, den Energiekraftwerken der Zelle, laufen jetzt auf Hochtouren.

Welche Beschwerden verursacht die Höhenkrankheit?

Die Symptome beginnen meist mit Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und einem allgemeinen Unwohlsein. Der Puls beschleunigt sich. Bereits diese Frühwarnzeichen einer beginnenden Höhenkrankheit müssen ernst genommen werden, zumindest sollte sofort eine Rast eingelegt werden. Nur wenn die Beschwerden völlig verschwinden, kann es weitergehen.

Setzt man hingegen den Aufstieg fort, verschlechtert sich der Zustand innerhalb von 12 bis 24 Stunden. Es kommt zu deutlichen Warnzeichen:
  • Starke Übelkeit mit Erbrechen

  • Starker Dauerkopfschmerz

  • Rapider Leistungsabfall

  • Herzrasen

  • Atembeschwerden

  • Psychische Symptome: Antriebslosigkeit, Verwirrtheit

  • Trockener Husten

  • Schwindelgefühl

  • Gangunsicherheit

  • Verminderte Urin-Ausscheidung (weniger als ein halber Liter dunkler Urin pro Tag)

  • Schlaflosigkeit

Werden die Symptome weiterhin ignoriert, besteht akute Lebensgefahr! In solch einem Fall müssen sofort Notfallmaßnahmen getroffen und der Abstieg begonnen werden.

Im Endstadium der Höhenkrankheit verschlimmern sich die Beschwerden weiter: Die Kopfschmerzen werden unerträglich stark, Herzrasen und Übelkeit nehmen ebenfalls zu. Die körperliche Leistungsfähigkeit kann völlig zusammenbrechen, so dass ein Abstieg unmöglich wird. Ständiger schwerer Husten erschwert die ohnehin beeinträchtigte Atmung, es wird rostbrauner Schleim abgehustet. Die Urinausscheidung kommt gänzlich zum Erliegen. Schreitet das Hirnödem weiter fort, treten Halluzinationen auf und es besteht starke Lichtscheu. Manche Patienten führen sich in diesem Stadium "verrückt" auf und bringen sich und andere dabei in Gefahr. Die anfängliche Benommenheit kann sich schließlich bis zur Bewusstlosigkeit hin steigern. Wenn nichts unternommen wird, führt die Erkrankung zum Tode.

Wie wird die Höhenkrankheit behandelt?

Wichtigste Maßnahme ist, den Aufstieg unmittelbar nach dem Auftreten erster Beschwerden zu stoppen. Schon ein paar Stunden Rast können ausreichen, um dem Körper die erforderliche Zeit für eine Anpassungen zu geben. Am besten ist es aber, das Nachtlager aufzuschlagen und erst am nächsten Morgen weiterzugehen. Bei schweren Symptomen - insbesondere bei Auftreten eines Hirn- oder Lungenödems (Husten / Atemprobleme / Benommenheit / Gangunsicherheit) - muss sofort mit dem Abstieg begonnen werden. Jede Verzögerung kann die Beschwerden verschlimmern und den Rückzug zusätzlich erschweren oder ganz unmöglich machen. Wartet man mit dem Abstieg, dann können Gangunsicherheit und Schwindel über Nacht bis zur Bewusstlosigkeit fortschreiten.

Der Abstieg sollte mehr als 1.000 Höhenmeter betragen, mindestens muss jedoch eine Höhe erreicht werden, auf der noch keine Beschwerden bestanden haben. Wenn nicht sicher ist, auf welcher Höhe das war, sollte das Basislager der vorletzten Nacht aufgesucht werden.

Wenn die Symptome sehr stark sind und den Abstieg erschweren, oder mit großen Anstrengungen verbunden sind, sollte der Höhenkranke abtransportiert werden. Körperliche Belastungen verschlimmern die Beschwerden zusätzlich. Auf geringerer Höhe bessern sich die Lungenprobleme innerhalb von Stunden, die Gangunsicherheit kann jedoch Tage bis Wochen bestehen bleiben.

Medikamente gegen die Höhenkrankheit

Notfallmaßnahmen und Medikamente verringern die Beschwerden rasch und bringen sie oft sogar völlig zum Verschwinden. Dies darf aber keinesfalls dazu verleiten weiterzugehen! Die gewonnene Zeit muss unbedingt dazu genutzt werden abzusteigen oder den Abtransport zu organisieren. Bei Expeditionen in großen Höhen sollte mindestens ein Mitglied im Umgang mit den Notfallmedikamenten und der Diagnosen der Höhenkrankheit geschult sein. Wenn ernsthafte Probleme auftreten, sollte dennoch so schnell wie möglich ein Arzt aufgesucht werden.

Sauerstoff:
Die Gabe von Sauerstoff aus mitgeführten Druckbehältern ist eine der wichtigsten Maßnahmen. Schwere Symptome (Hirn- / Lungenödem) sollen anfangs mit der höchsten Flussrate von 6 bis 10 Litern pro Minute behandelt werden, bis der Sauerstoffmangel zurückgegangen ist (Verschwinden der Blaufärbung von Lippen und Fingernägeln). Bei leichteren Symptomen ist die Gabe von Sauerstoff in geringer Flussrate von 0,5 bis 1 Liter pro Minute während der Nacht hilfreich.

Überdrucksack (hyperbare Kammer):
Es gibt transportable Polyamid-Zelte, die luftdicht verschlossen und aufgepumpt werden können. Der Aufenthalt in diesem Zelt simuliert einen Abstieg auf eine Höhe von etwa 2.000 Metern. Die Beschwerden verschwinden darin zwar rasch, die Wirkung ist jedoch zeitlich begrenzt und das beschwerdefreie Intervall sollte zum Abstieg genutzt werden.

Atemtechnik:
Atmung mit erhöhtem Druck in der Ausatem-Phase verbessert die Sauerstoffsättigung im Blut. Dabei soll gegen den Widerstand einer leicht zugehaltenen Nase und fast geschlossenen Lippen ausgeatmet werden. Es existieren noch mehrere Techniken für dieses Manöver, die in einschlägigen Expeditionsbüchern nachzulesen sind. Ebenso kann man zu diesem Zweck spezielle Atemventile kaufen, die automatisch den Ausatem-Druck in der Lunge erhöhen. Damit lässt sich die Zeit bis zum Erreichen geringerer Höhe oder der Gabe von Sauerstoff überbrücken. Eine gesteigerte Atmung kann die Symptome ebenfalls erleichtern.

Ibuprofen:
Dieses hat sich als Medikament zur Behandlung des Höhenkopfschmerzes durchgesetzt. Vorbeugend sollte es nicht genommen werden: Kopfschmerzen können ein erstes Symptom der Höhenkrankheit sein und dürfen daher nicht übersehen werden.

Es gibt weiterführend noch entsprechende Medikamente, welche eingesetzt werden können, um z.Bsp. die Nierenfunktion zu verbessern und/oder den Blutdruck zu senken, jedoch dürfen diese NUR NACH ÄRZTLICHER WEISUNG eingenommen werden!!! Daher wird hier auch nicht weiter darauf eingegangen.

Grundregel zur Prävention von Höhenerkrankungen: „Nicht zu schnell hoch! – Sicherheit in der Höhe beginnt zudem bei der Planung zuhause“


ALOR DIVE wünscht Ihnen eine schöne und beschwerdefreie Bergbesteigung!

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